Wie passen Large Caps und multinationale Konzerne in ein nachhaltiges Portfolio?
Nach dem Erfolg unseres letzten Artikels, in dem wir die Philosophie unserer Impact fokussierten Investments des BL Sustainable Horizon dargelegt haben, ist es sinnvoll in diesem Teil der Serie ihr ESG-optimiertes Pendant in den Fokus zu rücken.
Die sogenannte quantitative Komponente hat sich ihren Platz im Fonds aus zwei Gründen verdient, die beide auf ihre Weise im Zusammenhang mit weitreichenden Nachhaltigkeitsaspekten stehen:
- Erstens eignet sich der verwendete Best-in-Class-Ansatz bestens für das Screening von Unternehmen mit hoher Kapitalisierung, da diese nicht immer automatisch als besonders nachhaltig wahrgenommen werden oder als Vorzeigebeispiele für positiven Impact gelten. Zwar profitieren Large Caps in der Regel von höheren externen ESG-Ratings dank ihrer transparenten Prozesse zur Steuerung von ESG-Risiken, doch stehen sie auch verstärkt im Visier der Medien, wenn Probleme auftreten. Die besonders komplexe und diversifizierte Natur ihrer Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten kann den positiven Einfluss, den diese Giganten auf die Wirtschaft als Ganzes haben, verschleiern. Das Screening nach ESG-Musterschülern in einem Anlageuniversum garantiert folglich die Aufnahme erstklassiger Unternehmen mit solidem Nachhaltigkeitsprofil. Die wegen ihrer Nachhaltigkeitsprofile gewählten Unternehmen sind infolge ihrer schieren Dimension, Reichweite und ihres Einflusses auf die gesamte Wertschöpfungskette entweder Türöffner für Katalysatoren des Wandels oder Anbieter wesentlicher Produkte, die weltweit täglich von Millionen Menschen verwendet werden. Diese Unternehmen zeichnen sich nicht zuletzt auch durch hervorragende ESG-Praktiken in ihren eigenen Geschäftsaktivitäten aus.
Unsere Überlegung ist es, dass sie als Treiber für den Wandel fungieren können, da sie über das nötige Kapital und die Ressourcen verfügen, um Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette zu priorisieren. Diese Unternehmen haben dank ihrer Dimension, ihrer Reichweite und ihres Einflusses auch die Macht und das Gewicht, Marktpraktiken zu verändern.Annick Drui, Fondsmanagerin bei BLI - Banque de Luxembourg Investments
- Der zweite Vorteil betrifft das Risiko-Rendite-Profil des Fonds und die Komplementarität, die die quantitative neben der thematischen Komponente des Portfolios bieten kann. Nachhaltigkeit ist untrennbar mit Langlebigkeit und ethischem Verhalten gegenüber allen Interessengruppen einschließlich Kunden verbunden und dient folglich auch dem Schutz des Anlagekapitals. Auf lange Sicht ist es unserer Ansicht nach sinnvoll, einen Fonds anzubieten, der eine breite Diversifikation auf Sektoren, Anlagezonen, Marktkapitalisierungen und Nachhaltigkeitsprofile anstrebt, um unter anderem eine zu hohe Konzentration der Anlagen, erhöhte Volatilität und eine Übergewichtung einzelner Branchen zu vermeiden.
Vorbilder – Katalysator des Wandels und Anbieter wesentlicher Produkte
Wie treiben diese großen Unternehmen derzeit den tiefgreifenden Wandel für eine nachhaltigere Zukunft voran? Sehen wir uns einige konkrete Beispiele im aktuellen Portfolio für die drei Kategorien ‚Umwelt‘, ‚Soziales‘ und ‚Unternehmensführung‘ an.
In Bezug auf das Kriterium ‚Umwelt‘ konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die ihre Kunden beim Energiemanagement und bei Effizienzsteigerungen unterstützen. Durch ihr Produkt- und Dienstleistungsangebot ermöglichen sie ihren Kunden eine Reduzierung des Ressourceneinsatzes und folglich der Emissionen. Es liegt auf der Hand, dass Unternehmen mit diesem Profil vorwiegend in Sektoren wie ‚Industrie‘ und ‚Grundstoffe‘ zu finden sind.
Nehmen wir als Beispiel hierfür Air Liquide. Bei Air Liquide denkt man gleich an riesige Industriestandorte für die Gasproduktion, an schwere LKW und Flüssiggastanks für wichtige Industriezweige wie die chemische und metallurgische Industrie sowie Raffinerien. Hinter den Kulissen tut Air Liquide allerdings viel mehr als man vermutet. Das Unternehmen stellt Wasserstoff für die Energiewende her und ist auch in den Bereichen ‚Gesundheit‘ und ‚Elektronik‘ präsent. Halbleiter, Solarzellen für Photovoltaik-Panele und Flachbildschirme – alle benötigen die Industriegase von Air Liquide. Darüber hinaus stellt das Unternehmen medizinische Gase für Krankenhäuser und die häusliche Pflege her. Als Katalysator des Wandels qualifiziert sich das Unternehmen aufgrund seines Beitrags zur Modernisierung kritischer Infrastrukturen und Umrüstung verschiedener Industrien in puncto Nachhaltigkeit z.B. durch einen effizienteren Ressourceneinsatz und die Einführung besonders sauberer und umweltfreundlicher Technologien in die Prozesse. So haben Air Liquide und seine Kunden konkret elf Millionen Tonnen CO2[1]-Äquivalente eingespart. Industriegase reduzieren den Schwefelgehalt von Brennstoffen, wandeln schwere in leichte Kohlenwasserstoffe für Raffinerien um, verbessern die Energieeffizienz für Kunden aus der Metallurgie und ermöglichen Fortschritte in der Mobilität und Konnektivität für die Elektroindustrie.
Katalysatoren des Wandels können ferner positive Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene bewirken, beispielsweise durch den Zugang zu Gesundheitsversorgung. Ein Beispiel hierfür wäre das dänische Healthcare-Unternehmen Novo Nordisk, das sich auf Diabetes-Therapien spezialisiert hat und verschiedene Insulin-Injektionssysteme sowie Medikamente für Adipositas und andere schwere chronische Erkrankungen herstellt. Zusätzlich zu den offensichtlichen Beiträgen seiner Produkte für Gesundheit und Wohlbefinden hat das Unternehmen 2010 das Base of the Pyramid Programme ins Leben gerufen, das innovative und nachhaltige Lösungen zur Unterstützung der Diagnose, Behandlung und Kontrolle von Diabetes für die arme Bevölkerung am unteren Ende der Wirtschaftspyramide identifizieren soll. Das Programm wurde im Laufe der Jahre auf viele Länder ausgeweitet und umfasst inzwischen 76 Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Die Preisobergrenze für Humaninsulin konnte auf 3,00 US-Dollar pro Dosis gesenkt werden [2]. Außerdem kommuniziert das Unternehmen seine strategischen Ziele transparent und misst die diesbezüglichen Fortschritte. Novo Nordisk hat die Vergütung seiner Führungskräfte zudem an die Erreichung der Ziele von Defeat Insulin und anderer langfristiger gesellschaftlicher Ziele geknüpft.
Unternehmen, die Daten zugänglich machen und Software entwickeln, ermöglichen dem Vorstand und Management strategische Entscheidungen mit Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte zu treffen. Dieses Segment besteht überwiegend aus Technologieunternehmen. Ein Unternehmen, das diesem Profil entspricht, ist SAP. Dank digitaler Technologien und moderner Unternehmenssoftware können Organisationen und Unternehmen robuste Geschäftsaktivitäten aufbauen und ihre Lieferketten aufrechterhalten. SAP entwickelt integrierte Management-Software, mit der die Kunden alle Aktivitäten von der Buchhaltung über das Personalwesen bis hin zur Logistik verwalten können. Das Unternehmen ermöglicht seinen Kunden die Umwandlung ihrer Daten in nutzbare E-, S- und G-Maßnahmen. Im Bereich Umweltschutz bietet SAP Lösungen zur Datenerfassung und -analyse an, mit denen Unternehmen ihren ökologischen Fußabdruck berechnen und reduzieren können, insbesondere in Bezug auf Energie- und Wasserverbrauch sowie Abfallmanagement, wodurch die Kreislaufwirtschaft gefördert wird. Im sozialen Bereich leistet SAP einen Beitrag zur Sicherheit der Mitarbeiter, zur Messung der Mitarbeiterzufriedenheit und zur Förderung einer ethische Beschaffung entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Im Bereich der Unternehmensführung ermöglicht SAP die Reduzierung von Betrugsrisiken und somit die Sicherstellung der Unternehmenskontinuität, da mit seinen Programmen schnell Anomalien erkannt, Geschäftspartner überprüft und Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften erfasst werden können.
Andererseits halten wir Aktien von Unternehmen aus dem nicht-zyklischen und zyklischen Konsumgütersektor, die unverzichtbare Produkte herstellen.
Der nicht-zyklische und zyklische Konsumgütersektor ist unter Umständen etwas umstrittener, da die Berichterstattung über Kontroversen in den Medien einen erheblich größeren Raum einnimmt und die Marken/Produkte ohnehin mehr Wiedererkennungswert besitzen, da sie in unseren Haushalten präsent sind. Einige Hauptthemen, die sich aufdrängen, sind die Abholzung von Wäldern und die Abhängigkeit von Palmöl, Kinderarbeit auf Kakaoplantagen und dergleichen, die Ausbeutung der Brunnen von lokalen Gemeinschaften oder von Kleinbauern, gigantische Berge unnötiger Plastikverpackungen... Die Liste ist lang. All dies sind gravierende Probleme, und wir wollen durch unsere Investments und den Dialog bestenfalls „faule Äpfel“ vermeiden und Probleme lindern. Zumindest aber wollen wir eine Verschlimmerung der Situation verhindern. Als Gesellschaft können und werden wir nicht aufhören, diese Produkte zu konsumieren, und angesichts des Bevölkerungswachstums und einer steigenden Zahl von Menschen mit zunehmender Kaufkraft können wir nicht einmal vernünftigerweise erwarten, dass die Nachfrage nach lebenswichtigen Produkten und Gütern sinkt. Daher werden Unternehmen, die ihre eigenen Produktionsprozesse überprüfen, verschlanken, wenn möglich auf Wiederverwendung und Recycling und auch auf eine faire Behandlung ihrer Mitarbeiter setzen, langfristig als Gewinner hervorgehen. Und in diese Unternehmen wollen wir investieren.
Diese Unternehmen müssen Vorbilder sein und den Weg für andere ebnen. Ihre Dimension ist eine Chance – wenn nicht sie über die Ressourcen und die Durchsetzungskraft für die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung auf globaler Ebene in einer vernetzten Welt verfügen, wer dann? Sie ist aber auch ein Hindernis, da die Lenkung eines großen Unternehmens in eine nachhaltige Richtung mehr Zeit in Anspruch nehmen kann. Wir sind bereit, die Unternehmen, die eine nachhaltige Umstellung in Angriff nehmen wollen, auf ihrem Weg zu unterstützen.
Wie aber trennen wir die Spreu vom Weizen? Erstens durch das Aufspüren bestehender Kontroversen, zweitens anhand der Ergebnisse der Impact-Indikatoren des Fonds [3] und drittens anhand von eher qualitativen Aspekten wie Unternehmenskultur und Integration echter Nachhaltigkeit in das Tagesgeschäft. Wir lesen die Berichte, hören bei Interviews genau hin und machen uns ein Bild davon, wie sich das Unternehmen selbst sieht. Dies sollte nicht unterschätzt werden, denn die Kommunikation eines Unternehmens kann ein wichtiger Indikator für seine Kultur, seine Vision und sein Nachhaltigkeitsprofil darstellen. Wir lesen nach Möglichkeit heraus, welcher Anteil des Umsatzes auf nachhaltige Aktivitäten entfällt oder ob es im Unternehmen problematische Geschäftsbereiche gibt, die langfristig zu Reputations- und finanziellen Risiken führen können.
Einen wichtigen Hinweis kann auch der Umsatzanteil der nach B Corp [4] zertifizierten Marken eines Unternehmens liefern. Danone, eines unserer Portfoliounternehmen, ist in dieser Hinsicht beispielhaft, da über 50 % des gesamten Nettoumsatzes nach B Corp zertifiziert sind. Dazu gehört eines der größten B Corp-Unternehmen der Welt – Danone North America. Der frühere CEO Emmanuel Faber war ein vehementer Befürworter der Harmonisierung der Geschäftsinteressen des Unternehmens mit denen seiner Zielgruppe. Er meinte, dass die B-Corp-Zertifizierung für Danone als Unternehmen eine Möglichkeit sei, den Zielen näherzukommen, die von jedem Einzelnen angestrebt werden. Das neue Management bekräftigt das Ziel, bis 2025 das erste multinationale Unternehmen mit dieser Zertifizierung für die globale Einheit zu sein. Wie Nachhaltigkeit in die Unternehmenskultur integriert wird, ist bei Danone klar erkennbar. Deshalb nimmt das Unternehmen im globalen Access to Nutrition-Index [5] eine führende Position ein und schneidet in Bezug auf die Gesundheit und Nährwerte seiner Produkte am besten ab. 90 % des Umsatzes entfallen auf gesunde Produkte, 81 % aller Produkte enthalten keinen zusätzlichen Zucker und 88 % des Volumens entsprechen dem Nutri-Score A oder B [6].
Fazit
Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass in Bezug auf die Nachhaltigkeitsprofile der für die quantitative Komponente ausgewählten Unternehmen allerhand Diskussionsspielraum besteht, da diese Namen mit persönlichen Erfahrungen verbunden sind und (positive oder negative) Reaktionen hervorrufen. Wir alle haben schon einmal Negativmeldungen oder aufsehenerregende Schlagzeilen über diese Unternehmen in der Presse gelesen und haben unsere Vorlieben bezüglich der Markenprodukte in unserem Alltag entwickelt. Ein erstes hilfreiches Element bei der Analyse ist daher die Verwendung von ESG-Ratings externer Anbieter und die Festlegung von Mindestanforderungen für die Aufnahme in Portfolios. Zweitens können wir, wenn wir die Analyse der Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens und die Business-Like-Investmentmentalität auf die Nachhaltigkeit übertragen, den Vorteil eines Unternehmens in puncto Nachhaltigkeitspraktiken im Vergleich zu seinen Wettbewerbern herauskristallisieren. Dieser Vorteil kann, wie bereits erörtert, unterschiedlichen Quellen entspringen. Deshalb finden wir Unternehmen, die eine nachhaltigere Zukunft fördern, in allen Sektoren, da sie entweder als Katalysator des Wandels oder als Anbieter wesentlicher Produkte agieren.
Wenn Sie an den anderen Teilen der Serie interessiert sind, klicken Sie auf folgende Links:
- Investieren im Sinne der Sustainable Development Goals – Ausblick anhand des BL Sustainable Horizon
- SRI-Jahresbericht 2021
- Video Dualer Ansatz
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[1] https://www.airliquide.com/sustainable-development/environmental-data
[2] https://accesstomedicinefoundation.org
[3] Kohlenstoffintensität, SBTi-Ziel, gravierende Kontroversen im Personalmanagement, unabhängige und weibliche Vorstandsmitglieder.
[4] Die B-Corp-Zertifizierung misst die gesamte gesellschaftliche und ökologische Leistung eines Unternehmens. Das B Impact Assessment bewertet, wie sich Geschäftstätigkeit und Geschäftsmodell eines Unternehmens auf Mitarbeiter, Gesellschaft, Umwelt und Kunden auswirken. Die B-Corp-Zertifizierung zeigt, dass ein Unternehmen höchste Standards erreicht, wenn es mit seiner Geschäftsaktivität den positiven Wandel vorantreibt – angefangen mit der Lieferkette über den Rohstoffeinsatz bis hin zu Spenden an Wohltätigkeitseinrichtungen und Sozialleistungen für Mitarbeiter.
[5] https://accesstonutrition.org
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Autorin Annick Drui, Fund Manager, info@bli.lu; 11. April 2022, 15:00 Uhr