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SRI unter der Lupe betrachtet

Was kann Nachhaltiges und Verantwortliches Investieren leisten? Ein Blick unter die Oberfläche.

Für jedes menschliche Problem gibt es eine wohlfeile Lösung – sauber, einleuchtend, und falsch.“ H.L. Mencken

Nach Schätzung der Vereinten Nationen werden bis 2030 Investitionen in Höhe von rund fünf bis sieben Billionen US-Dollar jährlich erforderlich sein, um die UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) zu erreichen [1]. Angesichts dessen erscheint es ungemein wichtig, die Regeln der Finanzmärkte zugunsten der Branchen, die auf diese Ziele hinarbeiten, umzuschreiben.

Ziel der vorliegenden Analyse ist es, in einer zunehmend dogmatisch geführten und unscharfen Debatte einen Beitrag zur Klärung zu leisten, wie der Wandel hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem gelingen kann. Sie versucht den Blick auf den höchst komplexen Themenbereich der Effekte von Nachhaltigem und Verantwortlichem Investieren (Sustainable and Responsible Investing, SRI) in börsennotierten Unternehmen [2] über die gängigen, scheinbar offensichtlichen und simplen Ansätze hinaus zu bewegen.

Oberflächliche Analysen können zu irreführenden Handlungsanweisungen führen. Demnach es notwendig, zunächst fundamentale Zusammenhänge aufzuzeigen, um aus ihnen anschließend Konzepte abzuleiten, die in der Lage sind, das SRI-Thema weiter zu bringen.

1 Das Versprechen

Beim Thema SRI ist die Auffassung weit verbreitet, dass durch das Investieren in „gute“ Unternehmen bzw. das aktive Vermeiden weniger „guter“ oder kontroverser Unternehmen die Marktteilnehmer den Wandel hin zu einem nachhaltigeren wirtschaftlichen Gleichgewicht aktiv fördern und zur Umsetzung der SDG beitragen können.

Diverse Kanäle unterstützen diese Sichtweise:

  • Verkaufsbroschüren von Anlagegesellschaften und Banken zeichnen das Bild einer „grüneren Zukunft“ dank SRI und implizieren, dass die Finanzmärkte eine treibende Kraft hin zu einem nachhaltigeren Gleichgewicht sein können. Teilweise werden Anlegern „Impact-Rechner“ angeboten, mit denen sie bestimmen können, wie viele Krankenhausbetten, Kilowattstunden durch Photovoltaik o. ä. je angelegter Million Euro generiert werden.
  • Auf der Website der EU-Kommission heißt es zur EU-Taxonomie für ökologisch nachhaltige Tätigkeiten: „Um die Klima- und Energieziele der EU für 2030 und die Ziele des europäischen Green Deal zu erreichen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir Investitionen in nachhaltige Projekte und Aktivitäten lenken. (...) Die EU-Taxonomie soll Unternehmen, Investoren und politischen Entscheidungsträgern geeignete Definitionen dafür liefern, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als ökologisch nachhaltig angesehen werden können. Auf diese Weise soll sie Planungssicherheit für Investoren schaffen, Privatanleger vor Greenwashing schützen, Unternehmen helfen, klimafreundlicher zu werden, die Marktfragmentierung verringern und dazu beitragen, dass Investitionen dorthin verlagert werden, wo sie am dringendsten benötigt werden." [3] Auch hier wird impliziert, dass die Finanzwelt eine der treibenden Kräfte bei der Umsetzung der Ziele des Green Deal ist.
  • Die EU-Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR, 2019 beschlossen und seit 2021 in Kraft) legt die Rahmenbedingungen für nachhaltige Anlagen fest. Sie verpflichtet Investmentmanager, den Anteil nachhaltiger Anlagen in ihren Portfolios zu veröffentlichen. Vor kurzem stellte die oberste europäische Markt- und Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA in einem Q&A fest, dass Anlageprodukte gemäß Artikel 9 der SFDR ausschließlich in nachhaltige Aktiva investieren dürfen. Der nahe liegende Gedankengang [4]: Warum sollte eine Aufsichtsbehörde solche Einschränkungen verlangen, wenn diese nicht mithelfen würden, die Ziele des Europäischen Green Deal zu erreichen?

Wenn also offenbar ein breiter Konsens zu diesem Thema herrscht, dann sollte man davon ausgehen können, dass das Konzept an sich stimmig ist.

Doch ist es wirklich so einfach? Reicht es, SRI-Strategien umzusetzen, die dem Geist der EU-Offenlegungsverordnung entsprechen, um die Herausforderungen solch komplexer und miteinander verwobener Themen wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust oder unumkehrbare Ressourcenerschöpfung zu meistern?

Die schlechte Nachricht ist: Es ist nicht so einfach.

Die gute Nachricht: Anleger verfügen durchaus über Mittel, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Die erforderlichen Bemühungen stehen jedoch der Komplexität der Herausforderungen in Nichts nach, und ihre Wirkung ist sehr viel indirekter, als wir es gern hätten.

2 Die Realität: Die meisten Aktienanlagen werden auf Sekundärmärkten getätigt

Investmentfonds, private Portfolios und ETFs investieren in Aktien über die Börsen [5]. Die meisten dieser Transaktionen finden auf den Sekundärmärkten statt, auf denen Marktteilnehmer Wertpapiere kaufen bzw. verkaufen. Damit ein Geschäft zustande kommt, braucht es einen Verkäufer, der eine Aktienposition verkaufen, und einen Käufer, der diese zum gestellten Börsenkurs kaufen möchte. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass das Unternehmen, das das Wertpapier ausgegeben hat, an dieser Transaktion selbst nicht beteiligt ist.

In der Tat: Die Aktien [6] wechseln den Besitzer, ohne dass das betreffende Unternehmen neues Kapital erhält. Die Zahlung an das Unternehmen erfolgte bereits zum Zeitpunkt der ursprünglichen Aktienemission. Die Transaktion auf dem Sekundärmarkt hat demnach keinen direkten Effekt auf das Unternehmen sowie dessen Auswirkungen auf die reale Welt.[7]

Für Anleger, die wirkungsorientiert sind (so genannte „Impact Investors“), ist diese Feststellung nicht unwichtig. Da die Aktivitäten des Unternehmens unabhängig von den Anleger-Aktivitäten auf den Sekundärmärkten ablaufen, ist es nicht möglich, die Wirkung („Impact“), den ein Unternehmen in der Realwirtschaft generiert, in irgendeiner Weise den Investoren zuzuordnen. Anders gesagt: Anlagen am Sekundärmarkt lösen keine zusätzliche Wirkung („Additionalität“) im Vergleich zu den Auswirkungen des Unternehmens in Abwesenheit des Investments aus. [8]

Soll eine Anlage eine Wirkung in der realen Welt entfalten, muss sie das Unternehmen in die Lage versetzen, mehr positive (oder weniger negative) Effekte zu generieren, als es ihm ohne diese Anlage möglich wäre. Andernfalls bleibt der Status quo erhalten, und es findet keine Entwicklung hin zu einem nachhaltigeren Status statt. „Impact Investing“ impliziert demnach Veränderung.

Eines der Kernziele von SRI ist es, dazu beizutragen, dass sich das Wirtschaftsgefüge hin zu einem nachhaltigeren Gleichgewicht entwickelt, das „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ [9]. Um dieses Ziel der Veränderung des Wirtschaftsgefüges zu erreichen, muss zusätzlicher Impact generiert werden.

Das Global Impact Investment Network (GIIN) liefert die folgende einfache und praktikable Definition von Impact Investing: „Impact Investments sind Investitionen, die mit der Absicht getätigt werden, neben einer finanziellen Rendite auch eine positive, messbare soziale und ökologische Wirkung zu erzielen.“ [10]

Bei dieser Definition sind drei Faktoren wichtig:

  1. Absicht
  2. Messbare (zusätzliche) Wirkung
  3. Finanzielle Rendite (im Gegensatz zur Philanthropie)

Diese Definition befähigt wirkungsorientierte Anleger, ihre Investments hinsichtlich Ihrer möglichen Wirkung in der Realwirtschaft zu prüfen. Wenn das Investment das jeweilige Unternehmen nicht befähigt, messbar mehr positive Wirkung zu erzeugen, als dies ohne diese Anlage möglich wäre, wird kein positiver Impact erzielt – ganz unabhängig davon, ob eine positive Absicht vorgelegen hat.

Interessanterweise ist die Wechselwirkung zwischen dem Anleger und dem Unternehmen, in das er investiert, genau umgekehrt: Nicht der Anleger hat eine Auswirkung auf das Unternehmen, sondern das Unternehmen wirkt auf den Anleger. Mit dem Investment in eine Aktie, d. h. einer Beteiligung an einem Unternehmen, wird der Anleger mitverantwortlich für das Unternehmen und hat Anspruch auf den entsprechenden Teil des Einkommens des Unternehmens. Aus diesen Gründen kann man davon ausgehen, dass das Verhalten des Unternehmens dem Anleger nicht egal sein wird – wer will schon für ein kontroverses Unternehmen verantwortlich sein und von ihm Erträge erhalten? Allerdings bleibt letztlich bei einer Anlage in ein „gutes“ Unternehmen nur der „warme Schein“ [11], das beruhigende Gefühl der Beteiligung an einem „guten“ Unternehmen und an einer sauberen Rendite – leider ohne Auswirkungen auf die reale Welt.

Für einen Anleger ist es leicht, sein Portfolio mit den eigenen Werten in Deckung zu bringen, wenn er in Unternehmen investiert, die diese Werte teilen, und sich von jenen fernhält, die dies nicht tun. Viel schwerer ist es jedoch, konkreten Impact in der realen Welt zu erzielen.

Eine wichtige Konsequenz der beschriebenen Zusammenhänge: Wer Unternehmen aus bestimmten Branchen oder kontroverse Unternehmen systematisch aus seinem Anlageuniversum ausschließt, wird kurz- und mittelfristig keinerlei Veränderung in der realen Wirtschaft bewirken.[12] Bill Gates bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass „durch Divestment bisher rund null Tonnen Emissionen eingespart wurden.“ [13] Ein Anleger, der seine Aktien verkauft, gibt nämlich seine Beteiligung und sein Mitspracherecht am Unternehmen auf, wohingegen der Geschäftsbetrieb des Unternehmen unverändert weitergeht – nur eben mit der Beteiligung des nächsten Aktionärs.

Hier könnte die Analyse enden. Wenn Anleger, die auf dem Sekundärmarkt in börsennotierte Unternehmen investieren, also strukturell nicht in der Lage sind, aktiv einen Wandel hin zu einem nachhaltigeren Gleichgewicht zu bewirken – wozu also das Ganze?

3 Die Frage: Warum also überhaupt die Mühe?

Nur weil die Lösung des Problems nicht so einfach ist, wie erhofft, heißt das nicht, dass das Problem unlösbar ist und man sich ganz vom Thema verabschieden sollte. Wenn die intuitive Lösung nicht funktioniert, lohnt es sich zu fragen, wie man das Thema sonst angehen kann, um trotz der beschriebenen Einschränkungen die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Die Herausforderungen bleiben drängend: Wie oben erwähnt, sind nach Schätzung der Vereinten Nationen bis 2030 jährlich fünf bis sieben Billionen US-Dollar erforderlich, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Wie gezeigt, wird eine reine Umschichtung dieser Gelder am Sekundärmarkt – weg von Unternehmen mit negativen Auswirkungen hin zu Unternehmen mit positivem Impact – nichts bewirken. Es wäre lediglich ein Nullsummenspiel. Die erwähnten fünf bis sieben Billionen US-Dollar entsprechen dem Kapital bzw. den Kreditfinanzierungen [14], die jährlich netto neu aufgebracht und der Wirtschaft zugeführt und durch diese verarbeitet werden müssen [15].

Bisher sind wir an der Oberfläche geblieben und haben relativ offensichtliche Zusammenhänge betrachtet. Dabei haben wir festgestellt, dass der à priori offenkundige Weg zum Wandel durch Investment und Divestment nicht die gewünschten Ergebnisse erbringen kann. Doch nun zu den SRI-Dimensionen, die Mehrwert für Anlegerinnen und Anleger schaffen und in der Lage sind, Wirkungen in der realen Welt zu entfalten. Wir werden sehen, dass diese Effekte zwar möglich, aber weniger direkt sind und weniger schnell zu erzielen, als wir dies wünschen würden. Wenn SRI richtig umgesetzt wird, kann es tatsächlich Teil eines Wandels hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft werden und außerdem Wert für Finanzanleger schaffen.

Es lassen sich drei Ansätze identifizieren, über die SRI Mehrwert schaffen und/oder Wirkung in der realen Welt erzielen kann:

  • Berücksichtigung materieller nicht-finanzieller Chancen und Risiken;
  • Unterscheidung zwischen Anleger- und Unternehmenswirkung;
  • Koordinierende Wirkung des regulatorischen Rahmens.

3.1 Berücksichtigung nicht-finanzieller Risiken und Chancen

Die Berücksichtigung nicht-finanzieller Chancen und Risiken bei Anlageentscheidungen ist der erste Weg, um mit SRI substanzielle Effekte zu erzielen. Auch wenn diese SRI-Dimension keine signifikanten Effekte auf die reale Wirtschaft generiert, kann sie Mehrwert im Rahmen von Investmentstrategien schaffen und ist damit eine Daseinsberechtigung für die SRI-Analyse, die deutlich über die regulatorische Konformität hinausgeht.

Investmentmanager benötigen umfassende Informationen über die Chancen und Risiken der Unternehmen, in die sie investieren möchten. Damit alle potenziellen und substanziellen Herausforderungen eines Unternehmens erfasst werden können, ist es notwendig nicht-finanzielle Risiken im Rahmen einer Investmentstrategie zu berücksichtigen. Werden solche Risiken nicht erkannt, können sie schnell schwerwiegende finanzielle Folgen für das Unternehmen und seine Anleger haben. Vermögensverwalter sind gut beraten, diese Risiken frühzeitig zu identifizieren und auf sie zu reagieren. So wird beispielsweise bei einem Tabakunternehmen allein die Höhe des Cashflows nichts über das künftige Kurspotenzial der Aktie aussagen.

Fälle, in denen nicht-finanzielle Risiken beträchtliche finanzielle Auswirkungen haben können, sind z. B.

  • Unternehmen, die sich fortgesetzter Korruption bedienen, um ihre Finanzziele zu erzielen, und die mit Strafverfolgung rechnen müssen.
  • Brauereien, die in einer Region tätig sind, die aufgrund des Klimawandels von andauernder Trockenheit bedroht ist, die den fortlaufenden Betrieb gefährdet.
  • Unternehmen, die minderwertige Produkte anbieten, durch die Verbraucherinnen und Verbraucher zu Schaden kommen, und die mit Prozessen rechnen müssen.
  • Kohleproduzenten, die vom Kohleausstieg betroffen sind.

Durch die systematische, langfristig ausgerichtete Analyse dieser Risiken, ihrer Bedeutung für das Unternehmen sowie der Qualität des entsprechenden Risikomanagements innerhalb des Unternehmens können Anleger besser informiert entscheiden und den Wert ihres Investments schützen, falls die identifizierten Risiken eintreten.

Die Einbeziehung von ESG-Risiken (Environment, Social and Governance) in Anlageentscheidungen gehört zu den treuhänderischen Pflichten von Asset Managern, um eine langfristig nachhaltige Performance erwirtschaften zu können.

3.2 Unterscheidung zwischen Anleger- und Unternehmensimpact

Nun zu der Frage, welche Wirkung Anlageaktivitäten auf die reale Welt haben. Hier ist es hilfreich, die Konzepte von Anlegerimpact und Unternehmensimpact zu entflechten. Eine Vermischung der beiden Konzepte erschwert die Analyse unnötig, sie separat zu betrachten, sorgt hier für mehr Klarheit.

Wie oben ausgeführt, sind Anlegerinnen und Anleger in vielen – wenn nicht sogar den meisten – Fällen weder für den positiven noch für den negativen Impact direkt verantwortlich, den Unternehmen generieren, in die sie investieren. Nicht die Anleger generieren nämlich den Impact von Unternehmen: Die Unternehmen tun dies. Anleger können jedoch auf die Unternehmen einwirken, mehr positiven oder weniger negativen Impact zu generieren.

Es lassen sich drei Arten von Impact unterscheiden: einer davon ist den Unternehmen, zwei den Anlegern zuzuordnen [16]:

  • Unternehmensimpact: Gesellschaftlicher Wert der Waren und Dienstleistungen bzw. der Geschäftsprozesse des Unternehmens.
  • Anlegerimpact: Finanzieller Beitrag des Anlegers zum vom Unternehmen geschaffenen gesellschaftlichen Nutzen.
  • Nicht-monetärer Impact: Weitere Beiträge von Anlegern zum gesellschaftlichen Nutzen des Unternehmens.

3.2.1 Unternehmensimpact

Der Unternehmensimpact ist die Summe der Veränderungen, die der Geschäftsbetrieb, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens in Bezug auf Gesellschaft und Umwelt bewirken [17].

Die Methoden zur Bewertung von Unternehmensimpact sind recht weit entwickelt [18] und werden fortlaufend ausgebaut. Eine Vielzahl von Datenanbietern (z.B. MSCI, S&P Trucost, Matter) bewerten und messen den Beitrag, den Unternehmen zu den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) leisten, und helfen Investmentmanagern, passende Anlagekandidaten auszuwählen und zu beobachten.

Die Analyse des Unternehmensimpacts liefert Anlegern relevante Informationen. Die Bewertung positiver bzw. negativer Unternehmensauswirkungen gibt Investoren Orientierung bei der Anlage, aber auch bei der Frage, wo sie im Dialog mit dem Unternehmen ansetzen können. Nehmen wir als Beispiel ein Unternehmen, das einen messbaren positiven Impact generiert und gleichzeitig starkes Wachstum erzielt. Sollte das Unternehmen neue Aktien ausgeben, um das Wachstum eines wirkungsstarken Geschäftszweigs zu finanzieren, wären diese für informierte „Impact“-Investoren gegebenenfalls interessant. Umgekehrt: Wenn die Analyse des Unternehmensimpacts Schwachstellen aufzeigt, die sich leicht beheben lassen, bietet dies Investoren Anknüpfungspunkte für ihren Dialog mit dem Unternehmen, um Verbesserungsmöglichkeiten anzubringen [19].

Die Analyse des Unternehmensimpacts hilft Investoren herauszufinden, wo sie ansetzen können, um Veränderung zu fördern, d. h. positive Auswirkungen zu verstärken oder negative zu verringern.

3.2.2 Anlegerimpact

In den ersten beiden Teilen dieser Arbeit wurde festgestellt, dass es keinen direkten Wirkzusammenhang zwischen Investoren und den Auswirkungen der jeweiligen Unternehmen gibt. Die Interaktionen sind viel indirekter und komplexer als oben unter „Das Versprechen“ beschrieben.

Impact generieren heißt Veränderung herbeiführen: Ein Investor generiert dann Impact, wenn sein Investment dem Zielunternehmen ermöglicht, mehr positiven (oder weniger negativen) Impact zu erzielen. Nur wie?

Ein Investor hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten, ein Unternehmen zu beeinflussen:

  • Durch nicht-monetäre Beteiligung: informell durch direkten Dialog oder formell bei Aktionärsversammlungen
  • Durch finanzielle Beteiligung: Kauf oder Verkauf

Nicht-monetäre Beteiligung von Aktionären

Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge ist Anleger-Engagement – also der Dialog zwischen Anleger und Unternehmen – das wirksamste Instrument für Anleger, die Veränderungen in der realen Welt herbeiführen möchten [20].

Um die Tragweite dieser dann doch recht eindeutigen Aussage greifen zu können, hilft es, sich den Status eines Aktionärs vor Augen zu führen. Wer eine Aktie kauft, wird zum Mit-Eigentümer des betreffenden Unternehmens. Als Eigentümer hat er ein Mitsprachrecht im Unternehmen. Auch wenn ein Unternehmen von der Geschäftsführung geleitet wird, entscheiden die Eigentümer des Unternehmens darüber, in welche Richtung es geleitet werden soll.

Der Dialog zwischen Eigner und Unternehmen kann direkt (Investor Relations) oder formal (Abstimmung bei Aktionärsversammlungen) sein. Ein einzelner Anleger mag sich fragen, welchen Nutzen es hat, sich auf diese Weise im Unternehmen einzubringen. Ein einzelner Investor hat meist nicht genug Gewicht, um echte Veränderung auf Unternehmensebene zu bewirken – noch nicht einmal dann, wenn er ein großer institutioneller Investor ist. In der Tat: Der Einfluss, den ein Aktionär auf ein Unternehmen ausüben kann, ist direkt von seinem Anteil am Unternehmen abhängig.

Diese Beobachtung ist zwar grundsätzlich richtig; in den vergangenen Jahren kam es jedoch zu verschiedenen Entwicklungen, die Anleger ein bisher beispielloses Maß an Einfluss ermöglichen. Die Entstehung von Plattformen für gemeinschaftliches Engagement und die Einrichtung von Stimmrechtsvertretungen („Proxy Voting“) haben das Gleichgewicht im Dialog zwischen Unternehmen und Aktionären fundamental verändert.

In der Vergangenheit kannten Unternehmen die „Aktivisten“ unter ihren Aktionären, die große Aktienpakete hielten und ihren Einfluss nutzten, um das Unternehmen von innen heraus zu verändern. Die Unternehmen kannten diese Investoren, konnten gegebenenfalls mit ihnen verhandeln und Vereinbarungen mit ihnen erzielen. Dies hat sich geändert:

Heute können sich Investoren über die Plattformen für gemeinschaftliches Engagement zusammenschließen, ihre Interessen gemeinsam vertreten, Interessensbündnisse schmieden und in einen intensiven Dialog mit den Unternehmen treten. Dank den Stimmrechtsvertretungen, die die Abläufe bei Aktionärsversammlungen für Anleger massiv vereinfachen, besteht zudem die Möglichkeit, Stimmrechtsmacht zu bündeln, um das Unternehmen von innen heraus zu verändern.

Auf den ersten Blick scheinen also gemeinschaftliches Engagement – ob über direkten Dialog oder die Nutzung der Stimmrechte – ein vielversprechender Weg, um fundamentale Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen zu bewirken. Ein genauerer Blick offenbart jedoch auch Nachteile:

  • Gutes gemeinschaftliches Engagement erfordert gründliche Vorbereitung, ist äußerst zeitaufwändig und erfordert spezielles Wissen.
  • Nicht immer ist es leicht, Partner unter den Aktionären zu finden, die dieselben Ziele verfolgen.
  • Je größer das Unternehmen, desto größer die potenzielle Wirkung – desto schwieriger aber auch, bei Abstimmungen an den Hauptversammlungen die notwendigen Mehrheiten zu erhalten.
  • Die betroffenen Unternehmen nehmen das Engagement nicht immer wohlwollend auf.
  • Es kann vorkommen, dass Finanzziele und Nachhaltigkeitsziele im Widerspruch zueinander stehen.

Eine erfolgreiche Strategie muss nicht unbedingt in Form von hochoffiziellen Anträgen auf Aktionärsversammlungen oder kooperativem Dialog mit den Unternehmen erfolgen. Sie kann auch darin bestehen, Investor Relations anzuschreiben, um die Umsetzung von kleineren Veränderungen einzufordern – wie z. B. die Unterzeichnung des UN Global Compact, den Beitritt zur Science Based Targets initiative (SBTi) [21] oder die Veröffentlichung relevanter Umweltindikatoren. Je einfacher und kostengünstiger sich eine Forderung umsetzen lässt und je vorteilhafter die Veränderung aus Sicht des Unternehmens ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Engagement zum Erfolg führt.

Es bleibt festzuhalten, dass – je nach Komplexität der jeweiligen Engagement-Kampagne – der Prozess sehr zeitaufwändig sein kann. Folglich ist es wichtig, das geplante Engagement gründlich zu durchdenken, um zu vermeiden, dass Zeit und Ressourcen ohne greifbare Resultate verschwendet werden. Um die Erfolgsaussichten für ein Engagement zu verbessern, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Auswahl von Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe und ihrer Offenheit für Veränderung geeignet sind.
  • Auswahl von Themen, die sowohl für die engagierten Unternehmen von Vorteil sind als auch positive Auswirkungen haben.
  • Auswahl von Themen, die kostengünstig umzusetzen sind.
  • Kompetenz und gründliche Vorbereitung.
  • Beteiligung an gemeinschaftlichem Engagement über einschlägige Plattformen.

Veränderung geschieht Schritt für Schritt – auch wenn diese Schritte manchmal klein sind.

Wichtig ist dabei die Feststellung, dass ein Unternehmen nicht einfach um der Herausforderung willen herausgefordert wird. Das Ziel ist es, das Unternehmen dazu zu bewegen, mehr positiven (oder weniger negativen) Impact zu erzielen, was letztlich für alle Anspruchsgruppen von Vorteil ist – auch für das Unternehmen selbst.

Finanzielle Wechselwirkungen: Investment oder Divestment

Im zweiten Kapitel „Die Realität“ haben wir herausgearbeitet, dass Investments [22] oder der Abzug von Investments („Divestment“) nicht dazu beitragen, Veränderungen in der realen Welt zu bewirken. Warum also noch einmal auf das Thema zurückkommen? Auch wenn das Gesagte grundsätzlich Bestand hat, kann man das Thema weiter differenzieren und spezifische Einzelfälle herausarbeiten, in denen „reine“ finanzielle Interaktionen durchaus zu Effekten in der realen Welt führen können.

Am 4. Juni 2022 veröffentlichte das Global Impact Investors Network (GIIN) ein Paper [23], das aufzeigte, in welcher Form Investoren Impact in börsennotierten Unternehmen generieren können. Wie in der wissenschaftlichen Forschung unterscheidet das GIIN zwischen den Auswirkungen von Unternehmen (Vermeidung von Treibhausgasemissionen, Schaffung von Krankenhausbetten, Verbesserung der Biodiversität etc.) und jenem der Anleger.

Als Instrumente, um Auswirkungen in der realen Welt zu erzielen, nennt das GIIN – neben dem oben beschriebenen Anleger-Engagement um Veränderungen von Unternehmen herbeizuführen – insbesondere „geduldige Investment-Strategien“, die gegebenenfalls den Aktienkurs von Unternehmen stabilisieren können.

Die Logik ist einfach: Der „geduldige Anleger“, der seine Positionen nicht beim ersten Anflug von Volatilität verkauft und auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen investiert bleibt (bzw. am Sekundärmarkt nachkauft), stabilisiert den Aktienkurs und hilft dem Unternehmen so, sich gegebenenfalls neues Kapital zu ansprechenden Konditionen zu beschaffen, mit dem es dann weiter seinen Impact entfalten und seine Reichweite erhöhen kann. Dieser Ansatz kann insbesondere bei kleinen Unternehmen erfolgreich sein, die in einer frühen Entwicklungsphase sind. Allerdings benötigen derartige Strategien gründliches Research, um die Unternehmen hinsichtlich der Solidität ihrer finanziellen und nicht-finanziellen Qualitäten bewerten zu können. Es kann nämlich nicht im Sinne des „geduldigen Investors“ sein, regelmäßig permanente Kapitalverluste hinzunehmen, weil die gewählten Unternehmensmodelle nicht tragfähig waren.

Ein weiteres Instrument, mit dem Investoren bei Unternehmen für mehr Impact sorgen können, ist die Beteiligung an Kapitalerhöhungen. Unternehmen benötigen gelegentlich neues Kapital, um ihr Wachstum zu finanzieren. Wenn ein Unternehmen neue Aktien ausgibt, um einen impactvollen Geschäftszweig zu finanzieren, haben Investoren die Möglichkeit, dem Unternehmen frisches Kapital zur Verfügung zu stellen und ihm so zu helfen, seine positiven Auswirkungen zu erweitern. In einem solchen Fall kann man von zusätzlichem Impact im Sinne der oben genannten „Additionalität“ sprechen [24].

Wie bereits ausgeführt, haben die Divestment-Strategien Einzelner kurz- bis mittelfristig wenig bzw. gar keine Wirkung [25]. Dies ändert sich jedoch auf längere Sicht dann, wenn viele Investoren dieselbe Strategie verfolgen [26]:

  • Die Kurse der von Divestment betroffenen Unternehmen geraten dann unter Druck und
  • betroffene Unternehmen werden Schwierigkeiten haben, neues Kapital zu attraktiven Bedingungen zu beschaffen.

In der Tat zeigen verschiedene Studien, dass kollektives Divestment langfristig Auswirkungen auf die Aktienkurse betroffener Unternehmen zeigt, auch wenn das Ausmaß der Wirkung je nach Studie variiert. Angesichts dessen könnte man argumentieren, dass systematisches Divestment einen Anreiz für Unternehmensführungen schafft, sich mehr für SRI-Belange einzusetzen, und Tätigkeiten zurückzufahren, die der Gesellschaft oder der Umwelt schaden, um den Aktienkurs zu stützen. Management, das sich am Shareholder Value orientiert, hat schließlich ein Interesse an einer Unternehmensstrategie, die die Aktienperformance nicht negativ beeinflusst.

Die Annahme, ein fallender Aktienkurs könne ein Unternehmen zu einer Veränderung seines Verhaltens bewegen, scheint zwar plausibel, doch sind die konkreten Wechselwirkungen zwischen diesen beiden Faktoren bislang nicht ausreichend erforscht [27].

3.3 Koordinierende Wirkung des regulatorischen Rahmens

Es besteht das Risiko, dass sich die Effekte unterschiedlicher Anlagestrategien, die sich auf „gute“ Unternehmen konzentrieren und andere aufgrund ihres – tatsächlichen oder angenommenen – Fehlverhaltens ausschließen, gegenseitig aufheben. Unterschiedliche Anleger haben unterschiedliche Präferenzen: Ein Unternehmen mag für den einen Anleger „gut“ erscheinen, weil es bestimmte wünschenswerte Aktivitäten betreibt, für den anderen ist es unter Umständen z.B. wegen seiner CO2-Emissionen inakzeptabel. Unkoordinierte SRI-Anlagestrategien können sich demnach gegenseitig annullieren.

Hier kommt die Regulierung ins Spiel: Sie schafft einen allgemeinen und verbindlichen Rahmen für alle Player, dessen Nichtbeachtung zu Sanktionierung führt. Die jüngsten Maßnahmen der EU – die SFDR und die EU-Taxonomie ökologisch nachhaltiger Aktivitäten – wirken im SRI-Bereich als wichtige koordinierende Kraft. Die beiden Regulierungen schaffen eine gemeinsame Terminologie, gemeinsame Berichtsstandards und ein gemeinsames Rahmenwerk dafür, welche Aktivitäten als nachhaltig und verantwortlich gelten und welche nicht.

Der regulatorische Rahmen ist gewissermaßen der „Richtstrahl“, der die gemeinsame Richtung für die Nachhaltigkeitsbemühungen an den Finanzmärkten vorgibt.

Man kann nicht behaupten, dass die grundsätzlichen Überlegungen auf denen der rechtliche Rahmen für die nachhaltige Finanzindustrie fußt, ganz unschuldig sind: Es handelt sich um eine Manipulation der Marktkräfte, allerdings zum Wohl der Allgemeinheit ganz im Sinne einer wohlwollenden Ordnungspolitik. Die Europäische Kommission hat erkannt, dass die anlässlich der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 (COP 21) gemachten Zusagen nicht allein durch Interventionen der Europäischen Investitionsbank erreicht werden können. Um die Ziele zu erreichen ist auch privates Kapital in hohem Maß vonnöten – daher der „Green Deal“ der EU-Kommission.

Jetzt, da das Regelwerk eingerichtet ist, ist es an den Marktkräften, ihre Wirkung zu entfalten. Weil die SFDR die Finanzindustrie dazu auffordert, den Anteil an nachhaltigen Anlagen, die sie in ihren Portfolios anstreben, offenzulegen, ist diese gezwungen, das Konzept von „nachhaltigen Investments“ für sich zu definieren. Viele Akteure werden in einem ersten Schritt kontroverse Wirtschaftsbranchen aus ihrem Anlageuniversum ausschließen (Kohle, Öl, Rüstung, Alkohol, Tabak etc.) – das ist schnell umgesetzt. Da die meisten – wenn nicht sogar alle – Akteure so vorgehen werden, werden diese Branchen schrittweise von der Marktfinanzierung abgeschnitten; dies wiederum wird Veränderung fördern.

Ähnlich wird die EU-Taxonomie wirken. Sie definiert klar, wann eine wirtschaftliche Tätigkeit unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten akzeptabel ist. Die SFDR ihrerseits verpflichtet die Hersteller von Finanzprodukten, den Anteil von Emittenten offenzulegen, die der Taxonomie entsprechen. Die Finanzindustrie wird wohl oder übel diesem Regulierungsrahmen folgen – sie hat keine Wahl.

Alle Akteure werden sich in dieselbe Richtung bewegen und die Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union umsetzen – manche schneller als andere, aber die Richtung ist vorgegeben. Der regulatorische Rahmen erlaubt dabei für die Umsetzung verschiedene Geschwindigkeiten.

SFDR beschreibt vier Umsetzungsniveaus der nachhaltigen Finanzwirtschaft, die verschiedenen Ansprüchen genügen:

  • Das Mindestniveau sind Investmentprodukte nach Artikel 6: Diese berücksichtigen grundlegende Nachhaltigkeitsrisiken in ihrer Investmentmethodik – typischerweise durch einfache Ausschlusskriterien.
  • Investmentprodukte nach Artikel 8 sind diejenigen, die Nachhaltigkeitsfaktoren in ihre Investmentstrategien „integrieren“ und Nachhaltigkeitselemente zusammen mit anderen Faktoren im Entscheidungsprozess berücksichtigen. Diese „Integration“ führt dann zu einem positiven Schwerpunkt auf „gute“ Unternehmen.
  • Investmentprodukte nach Artikel 8 können sich zusätzlich zu einem bestimmten Anteil an „nachhaltigen“ Investments verpflichten und in diesem Sinne die Ziele des Green Deal noch stärker verfolgen.
  • Die höchste Übereinstimmung mit dem EU-Rahmen bieten Investmentprodukte nach Artikel 9, die sich ausschließlich auf nachhaltige Investments beschränken.

Der Nachteil des von der EU aufgebauten Rahmens ist, dass es dauern wird, bis sich seine Auswirkungen entfalten können. In der Tat: Außer, die Strategie der Unternehmen wird von der (Under-)Performance ihres Aktienkurses beeinflusst, greift die Regulierung nämlich erst dann, wenn sich die Unternehmen neues Kapital oder Kredite beschaffen müssen. Die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit im Wirtschaftssystem wird entsprechend evolutiv sein – eine Revolution ist nicht zu erwarten.

Aber aufgepasst: Die Finanzindustrie kann nicht für sich allein beanspruchen, die Auslöserin dieser Veränderungsdynamik zu sein. Die Intervention der Europäischen Kommission, der Initiatorin dieser Regulierung, hat die Dynamik ausgelöst. An dem Impact haben beide Seiten Anteil: Ohne den regulatorischen „Richtstrahl“ würden die Bemühungen Einzelner ins Leere laufen – und ohne Umsetzung des Konzepts durch die Finanzwirtschaft würde keine Veränderung erzielt. Es ist eine gemeinsame Anstrengung, die eine gemeinsame Wirkung entfaltet.

Die Europäische Kommission hat die Spielregeln geändert. Sie hat ein Ökosystem geschaffen, das das Potenzial besitzt, konkrete Ergebnisse zu schaffen. Ob diese ausreichend sein werden und sich schnell genug einstellen werden, muss sich erst zeigen. Zumindest wird man den Regulierungsstellen in einigen Jahren nicht vorwerfen können, sie hätten es nicht versucht. 

4 Schlussfolgerung

Der intuitive Ansatz, nach dem man in „gute“ Unternehmen investieren und weniger „gute“ Unternehmen meiden sollte, bringt nur das beruhigende Gefühl einer guten Tat. Leider geht die Wirkung nicht über dieses gute Gefühl hinaus, die Auswirkungen auf die reale Welt sind bestenfalls beschränkt.

Wenn die Bemühungen in Bezug auf nachhaltiges Investieren nicht nur eine weitere intellektuell anregende, letztlich aber vergebliche Übung sein sollen, muss über andere Ansätze nachgedacht werden.

Anleger-Engagement – also der Dialog zwischen Anleger und Unternehmen – bietet die besten Erfolgsaussichten, um Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. Dieses Engagement kann verschiedene Formen annehmen, die wiederum kombiniert werden können:

  • Individuelles Engagement,
  • Gemeinschaftliches Engagement,
  • Einfluss durch Abstimmung an Aktionärsversammlungen.

Interessant ist, dass jede Art von Engagement voraussetzt, dass man in dem betreffenden Unternehmen investiert ist. Dies ist ein starkes Argument gegen die weit verbreiteten Ausschlusslisten. Tatsächlich sind die Chancen, über Engagement negative Effekte zu reduzieren, gerade bei weniger „guten“ Unternehmen sogar noch besser. Solche Unternehmen im Voraus auszuschließen, verhindert das Engagement interessierter Anleger.

Das aktuelle regulatorische Rahmenwerk – SFDR, EU-Taxonomie ökologisch nachhaltiger Aktivitäten etc. – stellt eine große Hilfe dar, um die Wirtschaft in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu bewegen, indem sie eine gemeinsame Grundlage für eine nachhaltige Finanzwirtschaft schafft und die Finanzmärkte dazu bringt, sich an gemeinsamen Regeln zu orientieren. Die Zeit wird zeigen, ob die Anstrengungen ausreichen und schnell genug Wirkung zeigen. Die Grundlagen sind jedenfalls gelegt.

Auch wenn SRI-Bemühungen primär als der Versuch gelten können, die reale Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen, kann die Berücksichtigung von nicht-finanziellen Risiken und Chancen durchaus Mehrwert für die Anleger generieren: indem sie nämlich Risiken aufzeigt, die zu dauerhaften Kapitalverlusten führen können – oder Chancen, die sich durch die Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit ergeben.

Wer die Fußangeln der einfachen, aber falschen Lösungen meidet und wer seine begrenzten Ressourcen so nutzt, dass tatsächlicher Impact generiert wird, wird die zahlreichen Initiativen im Bereich des Nachhaltigen und Verantwortlichen Investierens sinnvoll nutzen.

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[1] https://www.un.org/sustainabledevelopment/development-agenda/

[2] SRI-Strategien werden natürlich auch bei Private Equity und bei Krediten angewendet. Da sich diese Anlageklassen jedoch hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer Funktionsweise beträchtlich von börsennotierten Aktien unterscheiden, beschränkt sich die vorliegende Arbeit bewusst auf letztere.

[3] https://finance.ec.europa.eu/sustainable-finance/tools-and-standards/eu-taxonomy-sustainable-activities_en, nur in Englisch verfügbar

[4] Heuristik: Um einen Sachverhalt nicht vollständig durchdenken zu müssen, tendieren Menschen zu gedanklichen Abkürzungen, im Sinne von „Wenn A stimmt, stimmt auch B.“ Dies mag im Alltag sehr nützlich sein, kann bei komplexen und nicht-intuitiven Konzepten jedoch zu falschen Schlussfolgerungen führen.

[5] Private-Equity-Anlagen werden hier ausdrücklich ausgenommen.

[6] Und mit ihnen die Beteiligung am Unternehmenskapital, die die Aktie repräsentiert.

[7] Nur in einem Fall ist die Wirkung nicht neutral: dann nämlich, wenn viele Anlegerinnen und Anleger an dem Unternehmen interessiert sind und der Aktienkurs steigt. Dadurch ist die Gefahr einer Übernahme für das Unternehmen geringer. Und sollte es eine weitere Kapitalerhöhung vornehmen, wird diese Platzierung bessere Erfolgsaussichten haben. Darüber hinaus ist die Entwicklung des Aktienkurses für ein aktionärsorientiertes Management wichtig.

[8] Zum Konzept der „Additionality“ vgl. www.IFC.org

[9] Definition des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung gemäß Brundtland-Bericht: Brundtland, G. (1987). Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung: Unsere gemeinsame Zukunft. Dokument A/42/427 der Generalversammlung der Vereinten Nationen.

[10] www.thegiin.org

[11] James Andreoni: „Impure Altruism and Donations to Public Goods: A Theory of Warm Glow Giving.” The Economic Journal, 100, Nr. 401 (Juni 1990), S. 464-477.

[12] Langfristig mag es anders aussehen, wenn viele Akteure in dieselbe Richtung steuern.

[13] https://www.ft.com/content/21009e1c-d8c9-11e9-8f9b-77216ebe1f17

[14] In diesem Zusammenhang dürfen z. B. Neuemissionen nicht benutzt werden, um Altschulden zu refinanzieren, sondern müssen neue Projekte finanzieren.

[15] So wie einerseits die Anleger neues Kapital und neue Finanzierungen bereitstellen müssen, so müssen andererseits die Wirtschaftsakteure in der Lage sein, die zur Verfügung stehenden Investments in Projekte in der realen Welt umzusetzen.

[16] Diese Definitionen orientieren sich an denen von P. Brest und K. Born in „Unpacking the Impact in Impact Investing”, Stanford Social Innovation Review, 2013.

[17] Kölbel et al: „Can Sustainable Investing Save the World? Reviewing the Mechanisms of Investor Impact”, S. 555, Sage. 2020.

[18] Paul Brest, Hal Harvey, Kevin Low: „Calculated Impact“, SSIR, 2009.

[19] Nur Investoren, die tatsächlich auch in das Unternehmen investieren, sind legitime Gesprächspartner für das Unternehmen. Je größer ihre Beteiligung am Unternehmen, desto eher findet ihre Stimme Gehör.

[20] Vgl. z. B. Kölbel et al: „Can Sustainable Investing Save the World? Reviewing the Mechanisms of Investor Impact”, S. 555, Sage. 2020.

[21] Die Science-Based Target initiative (SBTi) ist eine Partnerschaft zwischen dem Carbon Disclosure Project CDP, dem United Nations Global Compact, dem World Resources Institute (WRI) und dem World Wide Fund for Nature (WWF). Sie zeigt Unternehmen und Finanzinstituten, in welchem Umfang und wie schnell sie ihre Treibhausgasemissionen reduzieren müssen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

[22] Diese Aussage bezieht sich ausschließlich auf Kapitalflüsse bei Investments und Divestments. Damit ein Engagement in einem Unternehmen überhaupt möglich ist, muss zunächst in dieses Unternehmen investiert werden.

[23] https://thegiin.org/research/publication/impact-investing-in-listed-equities-strategies-for-pursuing-impact/

[24] Strenge Verfechter des Konzepts von „Additionalität“ mögen einwenden, dass der Kapitalnehmer seine Finanzierung ja in jedem Fall zustande bekommt. In diesem Fall wäre die Additionalität nicht gegeben, da das Projekt auch dann umgesetzt würde, wenn ein bestimmter Investor kein Kapital beisteuern würde.

[25] Gewisse Kurseffekte sind allerdings dann zu erwarten, wenn ein Großaktionär beschließt, sich von einem Unternehmen zu trennen – sei es aus SRI-Gründen oder aus finanziellen Erwägungen.

[26] Verstärkt wird die Wirkung dann, wenn es einen koordinierenden Effekt gibt, z. B. gesetzliche Rahmenbedingungen (SFDR, EU-Taxonomie etc.), die die Investoren gemeinsam in dieselbe Richtung bewegen.

[27] Kölbel et al: „Can Sustainable Investing Save the World? Reviewing the Mechanisms of Investor Impact”, S. 555, Sage. 2020.

 

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Verfasser

Thierry Feltgen, Head of SRI Strategy & Stewardship, info@bli.lu

Redaktionsschluss: 31. März 2023

Datum der Veröffentlichung: 3. April 2023 um 10:15 Uhr

Der Verfasser dieses Dokuments ist Mitarbeiter von BLI - Banque de Luxembourg Investments, einer von der luxemburgischen Finanzmarktaufsichtsbehörde Commission de Surveillance du Secteur Financier Luxembourg (CSSF) zugelassenen Verwaltungsgesellschaft.

Thierry Feltgen, Head of SRI Strategy & Stewardship  

Seit 2022 ist Thierry Feltgen ist seit 2022 Head of SRI Strategy & Stewardship bei BLI - Banque de Luxembourg Investments. Zuvor war Thierry 2005 in verschiedenen Positionen bei BLI tätig, unter anderem als Leiter der institutionellen Investmentkommunikation, als Anleihefondsmanager und Rentenfondsanalyst.

Er kam 1999 zur Banque de Luxembourg Gruppe, wo er als Projektmanager und Rentenfondsanalyst tätig war. Thierry schloss 1996 sein Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich als Diplom-Ingenieur-Agronom ETH ab und ist seit 1999 Inhaber eines Lizentiats für Wirtschaftswissenschaften (VWL) der Universität St. Gallen (Schweiz).

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