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Kurzer Kommentar zum Aufschwung an den Aktienmärkten

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Der Aufschwung an den Aktienmärkten seit März ist sicherlich beeindruckend. Seit dem 23. März ist der globale Aktienindex in Euro um 35 Prozent gestiegen. Angesichts des Ausmaßes und der Geschwindigkeit des Marktrückgangs im Februar/März einerseits und der Interventionen der Behörden andererseits war ein Wiederanstieg der Aktienkurse logisch. Es ist jedoch erstaunlich, dass einige Märkte in so kurzer Zeit einen Großteil ihrer Verluste bereits wieder wettgemacht haben. Wie lässt sich dies erklären?

MSCI World in Euro

 

Quelle: Bloomberg / MSCI

Eine erste Antwort ist, dass es keinen Sinn macht, nach fundamentalen Gründen für diesen Kursaufschwung zu suchen. Die Investoren kaufen, weil der Markt deutlich gefallen ist und sie es gewohnt sind, jeden Rückgang als Kaufgelegenheit zu sehen. Zumal sie wissen, dass die Zentralbanken, angefangen bei der Federal Reserve, auf ihrer Seite stehen. Darüber hinaus öffnen sich die Volkswirtschaften wieder, einige der jüngsten Wirtschaftsindikatoren waren besser als erwartet (wobei der langfristige wirtschaftliche Schaden noch nicht absehbar ist), und die Nachrichten an der Coronavirus-Front sind eher ermutigend.

 

Wenn wir jedoch weitergehen und eine grundlegendere Rechtfertigung für den Kursaufschwung finden wollen, scheint es vier Möglichkeiten zu geben:

  • Die Aktien waren im Februar, d.h. vor dem Rückgang, deutlich unterbewertet. Mit anderen Worten: Trotz der Tatsache, dass die Unternehmensgewinne 2020 stark zurückgehen werden und die für dieses Jahr erwarteten Gewinne bestenfalls 2022 erreicht werden, ist der Anstieg der Aktienkurse dadurch gerechtfertigt, dass die Aktien vor dem Rückgang zu billig waren.
  • Die Zinssätze sind gesunken. Die Bewertung von Aktien basiert im Allgemeinen auf einer Aktualisierung zukünftiger Geldströme (Erträge/Dividenden/Cashflows). Eine Senkung des zu dieser Aktualisierung angewendeten Diskontsatzes erhöht den gegenwertigen Wert dieser Geldströme und rechtfertigt daher die Zahlung eines höheren Preises.
  • Die Erwartung eines stärkeren zukünftigen Wirtschaftswachstums und damit eines höheren Gewinnniveaus aufgrund finanzpolitischer Konjunkturmaßnahmen.
  • Gefallene Renditeerwartungen für Aktienanleger. Das Argument wäre hier, dass sich die Investoren aufgrund der Krise bewusst geworden sind, dass die Zinsen dauerhaft niedrig bleiben werden und deshalb bereit sind, niedrigere Renditen für Aktien zu akzeptieren. Da der Preis die Rendite bestimmt, sind sie daher bereit, höhere Preise zu zahlen.

 

Ich muss sagen, dass mich keine dieser vier Möglichkeiten wirklich überzeugt:

  • Zu sagen, dass Aktien im Januar besonders günstig waren, wäre bizarr nach zehn Jahren steigender Kurse, einschließlich eines sehr guten Jahres 2019. Auf der Grundlage der meisten Bewertungskennziffern waren die Aktienmärkte im Gegenteil relativ teuer, wenn nicht sogar sehr teuer. (Zumindest in absoluten Zahlen; relativ gesehen kann man bei Zinssätzen nahe null immer noch höhere Bewertungen für Aktien rechtfertigen.)
  • Die Zinssätze sind heute nicht viel niedriger als im Februar.
  • Abgesehen von Deutschland hat bisher kein anderes Land ein größeres Konjunkturprogramm aufgelegt.
  • Warum hätten die Investoren bis jetzt warten sollen, um ihre Erwartungen endlich zu überdenken, wenn die Zinssätze seit langem niedrig sind?

 

Wenn man nicht glaubt, dass wir in eine Ära eingetreten sind, in der die Fundamentaldaten keine Rolle mehr spielen, führt die Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Realität und dem Aufschwung an den Börsen notgedrungen zu einer gewissen Skepsis gegenüber Letzterem.

Guy Wagner, Chief Investment Officer

Guy Wagner stammt aus einer Unternehmerfamilie in Luxemburg und besitzt einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften der Université Libre Brüssel. Er trat 1986 in die Banque de Luxembourg ein, wo er zunächst die Abteilungen Finanzanalyse und Asset Management leitete, bevor er 2005 zum Geschäftsführer von BLI - Banque de Luxembourg Investments, einer neu gegründeten Verwaltungsgesellschaft, ernannt wurde.

Seit Juli 2022 widmet er sich ausschließlich seiner Rolle als Chief Investment Officer, dem Portfoliomanagement und der Leitung des Teams, das für die Verwaltung der verschiedenen Fonds verantwortlich ist.

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