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Anleihemanagement bei extrem niedrigen Zinsen und hoher Inflation

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Das aktuelle Umfeld ist gekennzeichnet von niedrigen oder sogar negativen Zinsen sowie von einem durch Konjunkturaufschwung und Lieferengpässe bedingten Inflationsschub. Angesichts dessen darf man sich fragen, wie sinnvoll Anleiheanlagen sind und wie Anleihemanagement zurzeit zu bewerten ist. Welche Möglichkeiten bieten die Anleihemärkte im aktuellen Kontext?

Diese Fragen stellen sich vor dem Hintergrund eines von Unsicherheiten geprägten Umfelds, in dem staatliche Institutionen entscheidend zur Stabilisierung der Wirtschaft und der Finanzmärkte beitragen und einen beträchtlichen Anteil der Staatsanleihen halten.

Wie attraktiv sind hochwertige Staatsanleihen?

Seit der Interventionen der Notenbanken in Folge der großen Finanzkrise sind die realen, d. h. inflationsbereinigten, Renditen für die richtungsweisenden zehnjährigen Anleihen – im Euroraum wie auch in den USA – in den negativen Bereich gerutscht. Konkret bedeutet das, dass ein Anleger, der über diesen Zeitraum investieren möchte, mit Sicherheit Geld verlieren wird, wenn er den Inflationseffekt berücksichtigt und seine Anlage bis zur Fälligkeit hält. Doch warum erfreuen sich Staatsanleihen trotz negativer Renditen immer noch so großer Beliebtheit bei den Anlegern? Vereinfacht gesagt, hat ein Anleger, der eine liquide Anlage ohne Kreditrisiko und mit einer gewissen Transparenz seiner Cashflows sucht, wenig Alternativen. Staatsanleihen mit AAA-Rating aus Ländern wie Deutschland oder den USA gelten als frei von Kredit- oder Liquiditätsrisiko. Manche institutionelle Anleger wie Banken und Versicherungen sind gezwungen, in diese hochwertigen Papiere zu investieren, um ihre gesetzlichen Liquiditäts- und Kreditanforderungen zu erfüllen. Doch auch für Anleger, die nicht den Vorgaben institutioneller Anleger unterliegen, behalten diese Anleihen trotz ihrer negativen Renditen eine gewisse Attraktivität, da sie dazu beitragen können, die Volatilität eines Portfolios zu steuern und das Portfolio in Krisenszenarien zu einem gewissen Teil zu schützen.

Wer sein Portfolio mit Staatsanleihen diversifiziert, kann unter Umständen die negative Korrelation zwischen verschiedenen Anlageklassen ausnutzen und das Portfolio in turbulenten Phasen schützen. Ein Beispiel dafür sind US-Staatsanleihen, deren Rendite zu Beginn der Pandemie stark fiel und die so ihrem Ruf als Zufluchtsanlage gerecht wurden.

Was ist mit risikoreicheren Anleihen?

Das Anlageuniversum von Anleihen, die ein Kredit- und/oder Liquiditätsrisiko beinhalten – wie z. B. Schwellenländer- oder Unternehmensanleihen – ist sehr heterogen. Die verschiedenen Kategorien ermöglichen es dem Anleger, ihr Risiko und das Performancepotenzial zu diversifizieren. Betrachtet man z. B. Unternehmensanleihen, so unterscheidet sich das Risikoprofil der jeweiligen Emissionen durch Parameter wie ihre Währung, ihr Rating, ihre Branche oder ihre Region. Diese Faktoren verleihen den jeweiligen Emissionen ihre je eigene Dynamik, selbst wenn sie eigentlich zur selben Anlageklasse gehören. Eine Hochzinsanleihe [1] hat eine höhere Risikoprämie als eine, die mit dem Rating „Investment Grade“ [2] eingestuft wird. Sofern es nicht zu einem Zahlungsausfall des Emittenten kommt, können mit dieser Risikoprämie die durch Zinsschwankungen ausgelösten Marktbewegungen in einem gewissen Maß abgepuffert werden. Die Risikoprämie einer Anleihe soll den Anleger für das zusätzliche Risiko entschädigen, das er verglichen mit einer risikoärmeren Emission eingeht. Zum Beispiel muss ein kleines Unternehmen mit zyklischen Cashflows, das eine Anleihe begibt, mehr für seine Schulden aufbringen als ein großer Konzern wie Google oder Apple. Ähnliches gilt für Staatsanleihen aus Schwellenländern. Deren Risikoprämie hängt vor allem von der Solvabilität des Landes und seinem geopolitischen Risiko ab. Die folgende Grafik zeigt die Performance verschiedener Anleiheklassen in Euro und macht deutlich. Auch wenn es einen gemeinsamen Performancetrend gibt, der vom risikofreien Zins bestimmt wird, fallen die Korrelation zu Staatsanleihen und die Volatilität in den einzelnen Anleiheklassen durchaus unterschiedlich aus.

Wertentwicklung verschiedener Anleihen-Indizes in Euro von Januar 2016 bis Dezember 2021


 

Quelle: Bloomberg & JP Morgan; Die Wertentwicklung in der Vergangenheit ist kein Indikator für künftige Erträge.

Mit Ausnahme des High-Yield-Index (Volatilität von 7,2 %), liegt die Volatilität der genannten Indizes im Beobachtungszeitraum zwischen 3,7 % und 3,8 %. Betrachtet man das Verhältnis von Rendite und Risiko (auch „Sharpe Ratio“ [3]) der jeweiligen Indizes, so liegt der JP Morgan Euro EMBI (Schwellenländer-Index in Euro) in den sechs vergangenen Jahren [4] ganz oben auf der Liste, während sich der Index für Staatsanleihen mit AAA-Rating ganz am Ende findet (Hinweis: Eine Sharpe Ratio von null bedeutet, dass keinerlei Überperformance im Vergleich zum risikofreien Zins erzielt wurde). Betrachtet man die Korrelation der Indizes zu AAA-Staatsanleihen (Bloomberg Pan-European Aggregate Treasury Aaa TR), so ist diese am geringsten beim europäischen High-Yield-Index. Sie liegt hier fast bei null, während sie beim gesamteuropäischen Index für Unternehmensanleihen 0,8 beträgt.

In den vergangenen fünf Jahren wurde die Performance von risikoreichen Aktiva in Euro zum Teil dadurch gestützt, dass die Renditen auf (nicht vom Ausfallrisiko betroffene) Staatsanleihen sanken. Angesichts des aktuellen Wirtschaftsumfelds, deutlich steigender Inflationsraten in den Industriestaaten und historisch niedriger Renditen ist es um die kurz- und mittelfristige Performance risikofreier Staatsanleihen nicht gut bestellt. Wenn die Renditen von Staatsanleihen steigen, kommt es durch das Durationsrisiko (oder Zinsänderungsrisiko) zu einem Aufwärtsdruck auf die Renditen aller Anleihen. Je geringer das Renditedifferenzial („Spread“) zwischen einer Anleihe und dem risikofreien Zins (bei derselben Laufzeit), desto stärker reagiert die Anleihe auf einen Anstieg des risikofreien Zinses. In einem solchen Umfeld sind daher Anleihen attraktiver, die ein höheres Renditedifferenzial bieten. Ebenso gilt: Steigen die risikofreien Renditen bei gleichbleibendem Spread, können die Verluste durch die Risikoprämie (d. h. das Zinsdifferenzial) zumindest teilweise ausgeglichen werden.

Bei steigendem Kreditrisiko eines Portfolios sollte sich ein Anleger, der sein Gesamtrisiko nicht erhöhen möchte, daher unserer Ansicht nach auf kürzere Laufzeiten positionieren. So kann er das Durationsrisiko senken und ein angemessenes Gesamtrisiko im Portfolio beibehalten. Manchmal kann es durchaus sinnvoll sein, Kredit- und Durationsrisiko in der beschriebenen Weise zu kumulieren, zum Beispiel dann, wenn sich die Wirtschaft in einer Reflation befindet (Wachstum mit Inflation) und die Spreads für risikoreiche Aktiva sinken.

Ein Wechsel des Risikoprofils erfordert notwendigerweise eine solide Kreditanalyse der ausgewählten High-Yield-Anleihe und die kontinuierliche Beobachtung ihrer operativen Performance. Auch das makroökonomische Umfeld hat Einfluss auf das Risiko der High-Yield-Anleihe. High-Yield-Anleihen können in Liquiditätsschwierigkeiten geraten und außerstande sein, ihre Schulden zu refinanzieren, wenn sich die Finanzierungskonditionen verschlechtern. So führt eine höhere Volatilität der risikolosen Zinsen zu einer Vergrößerung des Renditedifferenzials für risikoreiche Aktiva. Dies wird auch in der folgenden Grafik deutlich. Die Volatilität der Rendite für fünfjährige Bundesanleihen in Deutschland entwickelt sich ähnlich wie die Spreads von High-Yield-Anleihen in Euro. Gleichzeitig tendiert die Rendite der fünfjährigen Bundesanleihe kontinuierlich nach unten.

Entwicklung der Volatilität der fünfjährigen Bundesanleihe in Deutschland (schwarz) und ihrer Rendite (orange) gegenüber dem Renditedifferenzial des High-Yield-Index (hellbraun) zwischen 2006 und 2021


Quelle: JP Morgan

Derzeit ist die Europäische Zentralbank entschlossen, die günstigen Finanzierungskonditionen aufrecht zu erhalten, um einen Ausweg aus der Krise zu unterstützen. In einem Umfeld von maßvoller, aber kontrollierter Inflation können risikoreiche Anleihen selbst bei einem Anstieg der langfristigen Zinsen ein attraktives Risiko/Rendite-Verhältnis bieten. Die risikoarmen oder -freien Staatsanleihen sollten jedoch trotzdem nicht ganz aus einem Portfolio genommen werden. Mit ihnen kann in manchen Fällen ein systemisches Kreditrisiko abgesichert werden. In einem global investierenden Portfolio, das seine Volatilität und die maximalen Verluste begrenzen will, lässt sich dies mit einem Anleiheteil mit Kreditrisiko erreichen, so dass sich ein gewisses Renditeniveau mit einer relativen Stabilität des Portfoliowerts verbinden lassen.

Andere Renditequellen im Anlageuniversum der Anleihen

Darüber hinaus gibt es weitere Arten von Anleihen, die Rendite bieten und nicht mit dem risikofreien Zins korrelieren: Schwellenländer- und Industrieländer-Anleihen in lokalen Währungen beispielsweise erlauben es, Positionen in bestimmten Währungen einzugehen. Darüber hinaus kann der Zinskupon die wechselkursbedingten Kursschwankungen des Titels zu einem gewissen Teil ausgleichen. Dabei ist jedoch auf die richtige Wahl der Währung zu achten, da die Stärke einer Währung von diversen makroökonomischen und finanz-technischen Faktoren abhängt. Das Verhältnis der jeweiligen Währungen zueinander muss kontinuierlich bewertet werden, da es sich – je nach den wirtschaftspolitischen Entscheidungen in den betreffenden Ländern – schnell ändern kann. In der Vergangenheit haben beispielsweise Schwellenländer-Währungen häufig eher Wert verloren (oder wurden abgewertet). In der Regel ist die Inflation in diesen Ländern höher, da sie als Nettoexporteure mit einer schwachen Währung ihre weltweite Konkurrenzfähigkeit erhalten wollen. Kurz- und mittelfristig jedoch können Schwellenländer-Währungen attraktive Anlagechancen bieten, zumal in einem Konjunkturzyklus, in dem die Zinsdifferenz zwischen der jeweiligen Anlagewährung und der Portfoliowährung steigt. Die Aufwertung einer Währung kann unter anderem durch ausländische Kapitalzuflüsse bedingt sein, das durch ein attraktives Zinsdifferenzial gefördert wird.

Diese Art der Diversifizierung kann sich lohnen, ist aber nicht ohne Risiko. Vor einer Anlage sollte immer die gründliche makroökonomische Analyse des betreffenden Landes und seiner Währung stehen. Aufgrund der chancenorientierten Ausrichtung dieser Anlagen ist es zudem entscheidend wichtig, die wirtschaftliche Entwicklung des Landes fortlaufend zu verfolgen, um im Falle wichtiger Veränderungen schnell reagieren zu können.

Fazit

Festverzinsliche Anlagen umfassen Anleihen der unterschiedlichsten Kategorien, die sich stark in ihren Risiko- und Renditeprofilen unterscheiden. Hauptmerkmal von Anleihen war in der Vergangenheit eine niedrige Volatilität und ein – verglichen mit anderen Anteilsklassen – günstiges Risiko/Rendite-Verhältnis. Für Anleger, die Kapitalverlust und Volatilität während der Haltedauer vermeiden wollen, behält der Anleihemarkt nach wie vor eine gewisse Attraktivität. Zudem bietet eine Anleihe – sofern es nicht zu Zahlungsausfällen kommt – den Vorteil, dass der Anleger schon beim Kauf weiß, wie hoch die Rendite bei Fälligkeit ausfallen wird. Eine gezielte Fundamentalanalyse der betreffenden Emission ist allerdings unumgänglich.

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[1] Von Ratingagenturen mit einer Kreditwürdigkeit von unter BBB-/Baa3 bewertet.

[2] Von Ratingagenturen mit einer Kreditwürdigkeit von BBB-/Baa3 oder besser bewertet.

[3] Die Sharpe Ratio setzt die Überrendite eines Portfolios oder Index gegenüber dem risikofreien Zinssatz ins Verhältnis zur Volatilität.

[4] Vom 1.1.2016 bis 31.12.2021.

 

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Autor

Jean-Albert Carnevali, Corporate Fixed Income Analyst, info@bli.lu

Der Autor dieses Dokuments ist Mitarbeiter von BLI - Banque de Luxembourg Investments („BLI“), einer von der Luxemburger Finanzaufsichtskommission CSSF zugelassenen Verwaltungsgesellschaft.

Jean-Albert Carnevali

Jean-Albert Carnevali, Corporate Fixed Income Analyst

Jean-Albert kam als Analyst für Unternehmensschulden zu BLI, nachdem er einen Master-Abschluss in Management an der Emlyon Business School (Frankreich) und zuvor einen Abschluss als Wirtschaftsingenieur bei Hénallux (Belgien) erworben hatte.

Während seines Managementstudiums spezialisierte sich Jean-Albert auf Unternehmensfinanzierung und -strategie. Während seines akademischen Austauschs an der Universität St. Gallen (Schweiz) begann er, sich für die Anwendung von Fallstudien zum Thema "Maschinelles Lernen" zu interessieren.