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Eine Kennzahl sagt mehr als tausend Worte

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Starkes Umsatzwachstum, steigender Gewinn je Aktie, übertroffene Erwartungen der Analysten, attraktive Dividenden, regelmäßige Aktienrückkäufe, umfangreiche Fusionen und Übernahmen: Zahlreiche Unternehmen, Anleger und Journalisten zitieren jegliche Form von Beweisen dafür, dass in einem Unternehmen Wert geschaffen wird. Und doch gibt es eigentlich nur eine einzige Messgröße: Die Rentabilität des eingesetzten Kapitals, der so genannte Return on Capital Employed (im Verhältnis zu den Kapitalkosten).

Il buono, il brutto, il cattivo

Genau wie Sergio Leone, „der Blonde", 1966 in seiner unterschwelligen Botschaft sagte: „Siehst Du, auf dieser Welt gibt es zwei Kategorien von Menschen: Die einen haben einen geladenen Revolver, und die anderen buddeln!“ So gibt es auch zwei Kategorien von Unternehmen: Die einen haben einen hohen ROCE, und die anderen schaufeln (dabei Verluste für ihre Stakeholder)…

Auch wenn heute viele „Aktienanleger“ (sofern man sie noch als solche bezeichnen kann, denn zwischen 1960 und 2016 ist die durchschnittliche Haltedauer einer an der New Yorker Börse gehandelten Aktie von über acht Jahren auf wenige Monate geschrumpft) dies manchmal vergessen: Eine Aktie zu kaufen, heißt, eine Beteiligung am Kapital des betreffenden Unternehmens zu erwerben. Unternehmen, die Wert schaffen, sind diejenigen, die ihr Kapital investieren, um anschließend mit ihren Cashflows eine hohe Kapitalrendite zu erwirtschaften, die die Kapitalkosten übersteigt.

 

Eine kleine Formel tut nicht weh

Der Return on Capital Employed (ROCE) misst die Effizienz, mit der Unternehmen das Kapital einsetzen, das ihnen von Aktionären und Gläubigern zur Verfügung gestellt wird. Aufgrund von Wettbewerbsvorteilen und Marktbarrieren (Netzwerken, Lizenzen, Patenten, „Lock-in“-Effekten, Qualität, Innovationsfähigkeit, Marken etc.) schaffen es manche Unternehmen, trotz Konkurrenzdrucks, über lange Zeiträume einen außerordentlich hohen ROCE zu erwirtschaften und so zu wachsen. Errechnet wird der ROCE, indem das operative Ergebnis nach Steuern ins Verhältnis zu dem eingesetzten Kapital gesetzt wird:

Im Zähler steht das operative Ergebnis, d. h. das im Geschäftsjahr erwirtschaftete Ergebnis der Betriebs- und Investitionstätigkeit.

Im Nenner steht das eingesetzte Kapital (auch „Capital employed“), die Summe aus Anlagevermögen[1] und Nettoumlaufvermögen[2]  („Working Capital“). Diese Summe entspricht den Netto-Aufwendungen, die das Unternehmen in seinen Investitions- und Betriebsphasen aufbringen muss und somit für seinen Betrieb benötigt.

Ein hoher ROCE kann verschiedene Ursachen haben: entweder hohe Rentabilität pro Umsatzeinheit (z. B. Apple) oder hohe Rotation des eingesetzten Kapitals, d. h. hoher Umsatz je investierter Kapitaleinheit (z. B. Kone) – oder auch eine Kombination aus beidem (z. B. Colgate-Palmolive).

Die Kapitalkosten, genauer gesagt der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz (auch „Weighted Average Cost of Capital“ oder WACC) ist die Rentabilität, die die Investitionen des Unternehmens mindestens erzielen müssen, um die Kapitalgeber zu befriedigen, damit diese bereit sind, die Risiken der wirtschaftlichen Aktiva zu finanzieren, indem sie die Wertpapiere kaufen bzw. halten. Sie sind unsichtbare, aber reale, sogenannte Opportunitätskosten, die entstehen, weil auf die Gelegenheit verzichtet wird, das Kapital in andere Aktiva mit ähnlichen Risiken zu investieren.

Um Wert zu schaffen, muss ein Unternehmen folglich also einen ROCE erwirtschaften, der über seinem WACC liegt:

Die oberste Kennzahl

The primary test of managerial economic performance is the achievement of a high earnings rate on equity capital employed (without undue leverage, accounting gimmickry, etc.) and not the achievement of consistent gains in EPS. In our view, many businesses would be better understood by their shareholder owners, as well as the general public, if managements and financial analysts modified the primary emphasis they place upon EPS, and upon yearly changes in that figure. ”

Warren E. Buffett, Berkshire Hathaway’s Chairman’s Letter, 1979

 

Wie Warren schon vor Jahrzehnten feststellte, und obwohl viele Unternehmensführer, Investoren und Journalisten es nicht wahrhaben wollen: Der ROCE ist der einzig wahre Maßstab, um die Wertschaffung zu messen – und nicht etwa der Gewinnanstieg je Aktie...

Aswath Damodaran, renommierter Professor für Finanzen an der Stern School of Business in New York, untersuchte über 42.000 börsennotierte Unternehmen weltweit und stellte fest, dass es 2016 nur einem Drittel von ihnen gelungen ist, Wert zu schaffen!

Natürlich geht es nicht darum, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen möglichst hohen ROCE vorweisen zu können und dabei notwendige Investitionen (Produktionsstätten, Forschung und Entwicklung, Marketing, Personal etc.) zu vernachlässigen und so die künftige Entwicklung zu gefährden. Vielmehr geht es darum, langfristig das optimale Verhältnis von hohem ROCE und hohen Cashflows zu erzielen.

Das Wachstum, so hoch es auch sein mag, steigert den Wert eines Unternehmens nicht, wenn sein ROCE nicht auch seinen WACC übersteigt. Wachstum kann den Unternehmenswert sogar verringern: dann nämlich, wenn der ROCE geringer ausfällt als der WACC. Nur rentables Wachstum schafft Wert für der Teilhaber. Dieses rentable Wachstum suchen wir als Analysten und Fondsmanager von BLI - Banque de Luxembourg Investments.

 

ROCE der rentabelsten/am wenigsten rentablen Branchen weltweit 2016

Quelle: A. Damodaran

 

Ein Freund fürs Leben

We have really made the money out of high quality businesses... Over the long term, it is hard for a stock to earn a much better return than the business which underlies it earns. If the business earns 6% on capital over 40 years and you hold it for 40 years, you are not going to make much different than a 6 percent return - even if you originally buy it at a huge discount. Conversely, if a business earns 18% on capital over 20 or 30 years, even if you pay an expensive looking price, you end up with one hell of a result. ”

Charles T. Munger, Speech for University of Southern California, 1994

 

Wie Charles Munger, Geschäftspartner und Warren Buffetts Alter Ego, betont, ist die Kapitalrendite eines Unternehmens für einen langfristig orientierten Anleger der entscheidende Bestandteil der Gesamtrendite.

Viele Anleger geben sich – vielleicht aufgrund des Ankereffekts – mit einem durchschnittlichen ROCE zufrieden. Unsere Überzeugung ist bewusst losgelöst von den Indizes: Warum sollten wir in Unternehmen investieren, die keinen hohen ROCE haben? Wegen ihrer Größe? Weil sie in einem Index vertreten sind? Wegen eines Trends? Wegen eines Versprechens von Donald Trump? All dies liefe unserer Anlagephilosophie zuwider.

In ein durchschnittliches oder unterdurchschnittliches Unternehmen zu investieren, auch wenn es attraktiv bewertet wird, ist mit hohen Risiken verbunden – selbst, wenn diese nicht sichtbar sind und es vielleicht nie zum „Schlimmsten“ kommt. Es ist daher nicht sinnvoll, auf eine Performance zu blicken, ohne die Anlagestrategie zu erkennen, die zu dieser Performance geführt hat. Wie Nassim Nicholas Taleb immer wieder betont, ist die Vergangenheit immer deterministisch, denn nur eine der vorher gemachten Prognosen ist tatsächlich eingetreten.

In diesem Zusammenhang sei auch an unseren Artikel „Die Macht der Dividenden“ vom Juli 2017 erinnert: Dort haben wir erläutert, dass wir in unserem Fonds BL-Equities Dividend vor allem Qualitätsunternehmen auswählen, die Wert schaffen können, und dass wir nur Titel ins Portfolio aufnehmen, die attraktive und nachhaltige Renditechancen bieten.

 

Return on Capital Employed

Quelle: Bloomberg, BLI

 

[1] Das Anlagevermögen besteht aus physischen, immateriellen oder finanziellen Aktiva, die langfristig dem Unternehmensbetrieb dienen (Gelände, Produktionsstätten, Maschinen, IT-Ausstattung, Patente, Lizenzen, Werte durch Übernahmen, Wertpapiere etc.).

[2] Umlaufvermögen = Lagerbestände + Forderungen an Kunden – Verbindlichkeiten bei Lieferanten. Bei den Forderungen und Verbindlichkeiten handelt es sich um kurzfristige Finanzierungen, die entsprechend der Zahlungsaus- und -eingänge fluktuieren.

Jérémie Fastnacht

Jérémie Fastnacht, Fund Manager

Jérémie Fastnacht ist seit 2017 Hauptmanager des Fonds BL-Equities Dividend. Er verfügt über einen Master-Abschluss in Finanzen der Université Paris-Dauphine, den er mit einem Master in Finanzmärkten der SKEMA Business School / North Carolina State University ergänzte. Seine berufliche Karriere startete Jérémie als Fondsmanager bei BCEE Asset Management, bevor er im September 2014 als Aktienanalyst und Portfoliomanager zur Banque de Luxembourg wechselte.

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